Wie alles begann - die Tuatha de Danann und die Geschichte der Feen

Die Tuatha de Danaan, die auf den britischen Inseln (genauer: auf Irland) werden als Ahnenvolk der Feen angesehen. Natürlich ist das eine lokale Mythe und die Feenvorstellungen z.B. im Voralpenland waren sicher ganz anders, trotzdem lohnt sich die Beschäftigung mit dieser irischen Quelle, weil man dadurch das Feenvolk besser versteht. Die Tuatha de Danaan werden im „Lebor Gabala Erenn“ erwähnt. Jenes Buch ist ein im 9. Jahrhundert entstandenes und im 11. Jahrhundert kompiliertes Sammelwerk in mittelirischer (gälischer) Sprache. In diesem Werk werden die Tuatha de Danann als „göttliche Rasse“ beschrieben, die an Irland in dunklen Wolken durch die Luft herankamen und sich für 3 Tage in einem magischen Nebel verbargen. Vorher bezwangen sie die Firbolg, eine „monströse“ und chaotische „Rasse“. Spannend ist, dass das Lebor Gabala Erenn auf biblischen Erzählungen (!), Fragmenten antiker Autore, lokalen Überlieferungen und gelehrten Erfindungen fußt. Zum Beispiel ist Augustinus mit seiner „De Civitate Dei“ (413-426) ein Einfluss. Das Ziel des Verfassers des Lebor ist wohl, die damals als historisch gesehenen Überlieferungen der Bibel mit den Weltchroniken zu verbinden. Man wollte die Gestalten und Götter der vorchristlichen Mythologie damit als historische Personen darstellen und ihre Existenz legitimieren (bizarr ist, dass das heutige Naturgeistervolk genau vor diesem Problem steht: Sie „müssen“ sich ebenfalls wieder legitimieren).

Zurück zu den Tuatha de Danann: Sie kamen von den „4 Städten des Nordens“, in denen sie Weisheit erlangten und Zauberkunst lernten. Die Zahl vier scheint eine für die "Kelten" besondere Bedeutung gehabt zu haben, sie betrachteten die Welt als Quadrat (Keltenschanzen! Die sind immer rechteckig angelegt). In einem persönlichen Gespräch mit einem Schamanenfreund berichtete dieser, dass möglicherweise auch die Germanen die Welt „quadratisch“ sahen. Von diesen Städten brachten sie „4 Schätze“ mit, die den 4 Himmelsrichtungen zugeordnet werden. Außerdem gibt es „Weise“, die den Städten zugeordnet sind. Mit diesem „Naturgeister-Paradigma“, das sogar einigermaßen alt ist, kann man übrigens sehr gut schamanisch und magisch arbeiten. Die östliche Stadt heißt Gorias, der Schatz ist das Schwert des Nuadha, dem niemand entkommen konnte. Der Weise dieser Stadt heißt Esras. Im Süden liegt Finias und dort ist der Speer des Lugh, der in der Schlacht Sieg verschafft (erinnert an Odins Speer), der „Ansprechpartner“ hier heißt Uscias. Im Westen liegt Murias und von dort stammt der Kessel des Dagda, von dem niemand ungesättigt aufsteht. Dort wohnt der weise Semias. Im Norden liegt Falias und dort ist der Stein von Falias, der dann schreit, wenn ein rechtmäßiger König auf ihm steht. Morfessa ist der dort residiernde Weise. Man kann, wie schon angedeutet, schamanisch in diese Städte reisen oder mit den Schätzen rituell arbeiten.

Die Tuatha de Danann landeten zu Beltane auf Irland und kämpften mit den Firbolg. Sie bezwangen diese und brachten Kultur, Kunst und Wissenschaft zu den Inselbewohnern. Bemerkenswert ist hier, dass die Sidhe später als sehr kunstfertig und musikalisch beschrieben werden. Irgendwann kam das Volk der Milesier, welches man als die Vorfahren der irischen Gälen betrachten kann. Es gab natürlich wieder einige Schlachten, die übrigens mit viel Kriegsmagie garniert waren, und diesmal gewannen die Milesier. Es wurde folgende Vereinbarung getroffen: Die Milesier bekamen die „obere Hälfte“ (über der Erdoberfläche) der Insel, und die Tuatha de Danaan bekamen die „untere Hälfte“ und gingen somit unter die Erde. Daraus entwickelte sich die Vorstellung von Feenhügeln, welche als „sidhe“ bezeichnet wurden. Das Wort „sid“ ist übrigens einfach nur eine altirische Bezeichnung für „Wohnsitz“ und kommt vom indogermanischen *sed-. Also eigentlich keine großartige spirituelle Bedeutung! Später nannte man die ehemaligen Tuatha de Danann „Sidhe“.

Manannan mac Lir, einer vom Volk der Tuatha, teilte die Gebiete seines Volkes auf und wurde von da an deren König. Das ist eine schöne Parallele zu einer anderen Sage, in der eben dieser König die Welten zwischen den Feen und Menschen mit seinem Mantel teilte.

Als die Sachsen auf die britischen Inseln kamen, brachten sie natürlich ihre eigenen Traditionen mit. Der heutige englische Elfenglaube ist eine Mischung aus nordisch/sächsischen Mythen und "keltischem" Substrat. Vermutlich gab es gar nicht mal so große Widersprüche zwischen den Kelten und den Germanen, sondern das sind Überformungen der Forschung der letzten 2 bis 3 Jahrhunderte. Heutzutage wird bei den Forschern die Existenz der Vanen (die ja gerne als Naturgötter angesehen werden, die im Clinch mit den Asen liegen) eher bestritten; man vermutet, dass Snorri etwas kreierte, was so gar nicht existierte, als er die Edda schrieb. Das gilt übrigens auch für den Vanenkrieg, was sehr gut zu meinen eigenen schamanischen Erfahrungen mit den Göttern passt. Simeck zum Beispiel vertritt die These, dass „Vanen“ ein anderer Ausdruck für Götter ist.

Aus den den germanischen Bezeichnungen „albiz“ oder „albaz“ entstand die Bezeichnung „Elfe“. Die indoeuropäische Wortwurzel davon bedeutet „weiss“, man kann die nordischen Wörter als „weisse geisterhafte Erscheinung“ übersetzen. Und da wird es spannend: Die Bezeichnung "scheinend" wird öfter im Zusammenhang mit dem Feenvolk verwendet, ohne dass die nordische Bezeichnung und deren Bedeutung bekannt ist. Der visionäre irische Maler, Dichter und Theosoph George Russell (1867 - 1935) zum Beispiel verewigte die Naturgeister in Gemälden und nannte sie „die Scheinenden“. Auf einer meiner ersten schamanischen Reisen zu den Naturgeistern nannten sie sich selbst exakt so - "Die Scheinenden" (und dass, bevor ich die Bezeichnung vom Russell kannte!), deswegen vermute ich, dass diese Umschreibung eine Selbstbezeichnung der Geister ist und in visionären oder schamanischen Erlebnissen schon lange erfahren wurde. In diesem Sinne ist das Wort „Elf“ näher an der Charakteristik der Naturgeister. Übrigens findet sich in der Älteren Edda sehr häufig die Kombination von Alfen/Alfar und Asen. Es gibt einige schamanische Kollegen, die das als Hinweis betrachten, dass die Alfar „erleuchtete“ Geister sind, also Seelen von Menschen, Tieren und Naturgeistern, die nicht mehr wiedergeboren werden, weil sie alle möglichen Erfahrungen auf der Erde gemacht haben und erleuchtet sind. Diese Geister stehen uns Menschen wohlwollend beiseite, weil sie wissen, wie schwer wir es hier teilweise haben. Die „verhehlten“ Alfar sind die „noch nicht erleuchteten“ Geistwesen und die noch hier sind – eben unter den Hügeln. Hier muss man aber ganz klar sagen, dass das buddhistisches und hinduistisches Gedankengut im Hintergrund hat und meines Wissens nicht mit "keltischen" oder germanischen Quellen belegbar ist. Auf das "Problem", dass die Mittelweltgeister nicht so vertrauenswürdig sind, gehe ich in meiner Rubrik über den Schamanismus näher ein.

Nachdem die Sidhe unter die Hügel gezogen waren, wurden sie mit der Zeit von den Menschen immer mehr „verkleinert“ und verniedlicht. Einen ganz großen Betrag lieferte leider dazu Shakespeare mit seinem „Sommernachtstraum“, welcher mit seinen winzigen Elfen den gesamten europäischen Feenglauben nachhaltig beeinflusste. Tolkien hat übrigens später Shakespeare dafür sehr kritisiert, er wollte ausdrücklich, dass in der deutschen Übersetzung seines "Herrn der Ringe" das wort "Elben" statt "Elfen" verwendet wird, weil in der deutschen Übersetzung des Sommernachtstraumes die letztere Bezeichnung angewendet wurde. Tatsächlich untersuchte man sogar wissenschaftlich die Feen der elisabethanischen Zeit und kam zu dem Schluss, dass der Dichter eine komplett neue Geistergattung erschaffen hat. Böse formuliert: Wenn er einen alten Naturgeisterglauben zerstören wollte, dann ist es ihm perfekt gelungen. Hierbei eine etwas pikante Nebeninformation: All die nackten Feen und Elfen, die sich auf viktorianischen Gemälden tummelten und räkelten, waren ein cleverer Schachzug, die Zensur der damaligen Zeit zu umgehen. Das Argument war, dass man Märchenwelten und Fabelwesen, also keine Menschen, malte. Auf diesen Gemälden findet man auch die Schmetterlingsflügel auf dem Rücken der Elfen. "Tinkerbell" aus "Peter Pan" und besonders die Zeichentrickversion davon ist zum Beispiel eine weitere Entwicklung dieser Vorstellung von Naturgeistern.

Aus naturwissenschaftlicher Sicht stimmt die Geschichte über die Tuatha natürlich hinten und vorne nicht. Aber man muss bedenken, dass die Leute damals noch nicht von der Entstehung von Planeten oder oder Sonnensysteme etwas wissen konnten. Die Geschichte, dass Gott die Welt in 7 Tagen erschaffen hat, wird ja heutzutage auch von fast jedem nicht mehr wortwörtlich geglaubt (außer von den Kreationisten....). Trotzdem steckt eine spirituelle Wahrheit hinter solchen Geschichten. In die heutige Sprechweise kann man die Geschichte der Tuatha de Danann folgendermaßen übersetzen: sie sind ja „das Volk der Danu“, und diese Göttin kann man als Erdgöttin oder Erdmutter sehen, also ist eine andere Übersetzung als „Volk der Erde“ durchaus möglich, was eine sehr schöne Umschreibung von Naturgeistern und -göttern ist. Das „göttliche“ macht insofern Sinn, wenn man bedenkt, dass die uns umgebende Natur es erst möglich macht, dass wir hier auf diesem Planeten leben können und dürfen. Ich denke, dass man in den alten Zeiten das gewusst hat und deswegen die Natur als göttlich betrachtet und verehrt hat. Ohne sie wären wir gar nicht da. Die nachfolgenden Naturgeister sind also Nachfolger der ersten Götter, die die Erde als Heimat ausgewählt haben. Auf deutsch: der Animismus hat recht.

Die chaotischen Firbolg sind aus meiner Sicht nicht „negativ“. Ich erinnere an die griechischen Titanen oder die germanischen Riesen, die in gewisser Weise mit ihren rohen Kräften erst das Fundament für das Leben schafften. Es gibt beispielsweise mittlerweile Hinweise, dass vulkanische Blitze, die bei Eruptionen entstehen, dafür sorgten dass Aminosäuren entstanden, die für die DNA notwendig sind. Die Drachen haben die Grundlage für das Leben erschaffen, so könnte man das auf der spirituellen Ebene beschreiben. Auch Thors Hammer fällt mir persönlich ein. Interessant ist auch die These, dass der Einschlag eines anderen Urplaneten auf die Erde erst die Entstehung des Mondes ermöglichte. Dadurch wurde die Erdachse stabilisiert, was wiederum eine ungestörte Entwicklung des Lebens auf der Erde erst möglich machte. Was übrigens erklärt, warum viele Völker den Mond als heilig ansehen. Vielleicht sind die „Primitiven“ ja doch nicht so dumm? Aus eigener Erfahrung kann ich mir sehr gut vorstellen, dass der Geist des Mondes durchaus dem einen oder anderen Hellsichtigen diese Zusammenhänge zeigte. Die Tuatha de Danann kann man somit als Kräfte ansehen, die die „Stabilisierung“ der Erde einleiteten. Man kann sogar die typischen Eigenschaften des späteren Feenvolkes erklären: die Künste, die Liebe zur Musik und die grundsätzliche Schönheit. Zum Beispiel stammt der goldene Schnitt aus der Natur, es gibt eigentlich nichts „Häßliches“ in der Natur. Auch Töne gibt es schon seit Anbeginn der Zeit, jedes Ding um uns hat ein Lied. Man konnte zum Beispiel vor kurzem sogar das „Lied“ des Coronavirus hörbar machen. Naturwesen wissen das, und umgekehrt kann Musik neue Welten erschaffen. Später wurde das dann recht „folkloristisch“ interpretiert als Elfen mit Zauberfiedeln, die mit bestimmten Melodien Menschen verhexen konnten. Übrigens wurde auch den Druiden nachgesagt, dass ihre Gesänge zauberkräftig waren.

In diesem Sinne sind die Tuatha de Danann tatsächlich ein göttliches Volk, weil sie den Samen der Natur gelegt haben. Und den Naturgeistern, die von ihnen abstammen, sollte man respektvoll entgegentreten.